Kirgistan, wir kommen!

 

 

Es war eine Entscheidung aus dem Bauch heraus, dass wir unseren Sommer in den kirgisischen Bergen verbringen möchten. Kirgistan - das Land der Nomaden, der vergorenen Stutenmilch und Jurten. Es war schwierig, mehr über unser Reiseziel im Voraus zu erfahren, weshalb wir uns mit einer grossen Portion Ungewissen sowie mit zwei schweren Rucksäcken bepackt in unser zentralasiatisches Abenteuer stürzten.

Wir flogen von Zürich über Istanbul in die kirgisische Hauptstadt Bischkek. Dort holte uns unser kirgisischer Guide am Morgen des 2. Augusts 2015 um 05:00 Uhr ab und brachte uns am nächsten Tag etwa  400 km Richtung Osten nach Karakol. Die ersten Tage der Reise hatten wir von zu Hause aus mit CBT Karakol organisiert - ein kleines Touristoffice vor Ort, das von Helvetas gegründet und unterstützt wurde, heute aber selbsttragend ist - und sehr empfehlenswert, um mit den CBT-Menschen Reisen in Kirgistan zu organisieren. 

 

Karakol ist ein kleines Provinzstädtchen mit etwa 70.000 Einwohnern. Gegründet in der Mitte des 19. Jahrhunderts als russische Militärgarnison, versprüht das Örtchen noch heute kaum Glanz - staubige und nach Abgas stinkende Strassen, wenig charmante Häuschen sowie Infrastrukturen, die seit Sowjetzeiten nicht mehr gepflegt wurden. Allerdings ist Karakol der ideale Ausgangspunkt für Trekkingtouren in das nahe gelegene Issyk-Kul Gebirge. Und mit den freundlichen und auf ihre "Stadt" stolzen Kirgisten präsentierte sich uns der Ort nach einiger Eingewöhnungszeit trotzdem irgendwie liebenswert. 

 

Um uns physisch, vor allem aber auch kulturell zu akklimatisieren, starteten wir unsere ersten Tage mit einer geführten Reittour von Karakol aus nach Altyn Arashan. Diese kleine Siedlung mit wenigen Häuschen und Jurten befindet sich im Arashan Valley und entwickelte sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer "Touristenattraktion": Leicht erreichbar, Schlafmöglichkeiten sowie heisse Quellbäder laden am Fusse des Palatkagipfels zum Verweilen ein. Wir genossen diese zwei Tage gemeinsam mit unserem kirgisischen Reitjungen - der sich ob unserer Reitkünste das Lächeln nicht verbergen konnte. Wir tranken zum ersten Mal Kumys (vergorene Stutenmilch) und merkten, dass sich unsere Gespräche mit Kirgisen auf Zeichensprache beschränken würde, da weder wir des Russischen noch sie des Englischen mächtig schienen.

Blick von unserer Jurte in Altyn Arashan zum Palatka ("Das Zelt").
Blick von unserer Jurte in Altyn Arashan zum Palatka ("Das Zelt").

Wir quartierten uns danach zum ersten Mal bei unserer lieben Gastmutter Gulnara in Karakol ein. Bevor wir uns auf unsere erste selbstständige Tour begaben, deckten wir uns auf dem lebhaften und chaotischen Markt mit Proviant ein. Danach buchten wir bei CBT ein Taxi, das uns am nächsten Tag zum Eingang des Karakol-Nationalparks brachte. Ziel: Eine fünftägige Probetour rund um den Ala Kul. Ausrüstung: Steigeisen, Pickel, Seil, Proviant, Medikamente, Kleider. Summa Summarum: Etwa 45 Kilogramm Gepäck...

 

Die Route führte uns durchs Karakoltal, vorbei an Schwemmebenen und Rossherden, hinauf durch lichte Wälder zum Sirota-Camp - eine ehemalige Trainingsunterkunft für sowjetische Spitzenbergsteiger. Noch heute ist der Ort gut besucht, denn von Karakol übers Sirota Camp zum Ala Kul und hinunter nach Altyn Arashan führt eine beliebte dreitägige Trekkingrundtour. Im Sirota-Häuschen schläft jedoch kaum jemand - Abfallberge lassen grüssen. Rundherum aber bieten sich einige angenehme Zeltplätzchen. So verbrachten wir unsere erste Nacht neben zwei jungen Franzosen, die auf ebendieser Rundtour unterwegs waren.

 

Der nächste Tag begann mit einem steilen Aufstieg hinauf zum Ala-Kul See. Den Wald hinter uns lassend, kämpfen wir mit den schweren Rucksäcken die steile vom Gletscher geprägte Stufe hinauf - neben uns der lärmende Ausfluss des Sees. Nach etwas mehr als 600 Höhenmetern erreichen wir den - ein fantastischer und riesiger Bergsee auf 3532 Metern über Meer. Wir verliessen anschliessend die populäre Trekkingroute und liefen entlang des Seeufers an dessen Ostende, wo wir unser Zelt am Fusse des Gletschers auf einer saftig grünen Wiese aufstellten. Hier fühlten wir uns endlich in der kirgisischen Einsamkeit angekommen.

 

Trotz unsicherem Wetter nutzten wir den Nachmittag und erwanderten einen nahegelegenen, schuttigen Wandergipfel (4010m) - den wir Peak Steffi tauften. Der Plan für den nächsten Tag hatten wir uns bereits zu Hause ausgedacht: Wir planten den wunderschönen und markanten doppelgipfeligen Berg auf der Südseite des Gletschers zu besteigen. Allerdings blieb uns der Gipfelsturm erspart, da etwa 200 Höhenmeter vor dem Ziel eine riesige und für uns unüberwindbare Gletscherspalte klaffte. Unsere Enttäuschung war gross, doch versuchten wir das beste aus dem grauen Tag zu machen und bestiegen die nordseitig liegenden pyramidförmigen Gipfel (Pkt. 4142, 4142) - Kraxeleien gespickt mit Zitterpartien, wenn der Fels wieder mal nicht hielt, was er auf den ersten Blick an Kompaktheit versprach. 

 

Am nächsten Morgen trauten wir unseren Augen kaum: Vor und auf unserem Zelt lagen etwa zwanzig Zentimeter Neuschnee. Nachdem wir den Vormittag mit Frühstücken und dösen verbrachten, planten wir für den Nachmittag, als der Schnee geschmolzen war und sich die Sonne zeigte, über den Takirtorpass ins Takirtor abzusteigen, um von dort aus am nächsten Tag einen Gipfel zu erklimmen. Den Aufstieg über den Gletscher zum Pass war angenehm, trotz der Spurarbeit mit schweren Rucksäcken. Jedoch gestaltete sich der Abstieg schwierig: Felsbrocken-Hopping auf glitschigen Steinen und macht keinen Spass. Umso glücklicher waren wir, als wir nach einigen anstrengenden und mühsamen Stunden ein schönes Plätzchen am Fusse eines Blockgletschers bei eintretendem Schneefall fanden.

 

Die Nacht im Takitor war unglaublich kalt, die Schuhe am Morgen gefroren; aus dem warmen Daunenschlafsack zu kriechen, erforderte viel Willenskraft.  Allerdings lohnte sich das Aufstehen: Wir wurden für unser schweres Geschleppe und kilometerweites Wandern belohnt und bestiegen bei allerbestem Wetter unseren ersten "hochalpinen" Gipfel (Pkt. 4345). Die Route führte uns zuerst etwas mühsam über den Blockgletscher, danach eine steile Firnflanke hinauf auf einen Firngrat, gespickt mit einigen Kraxelstellen. Das Panorama war fantastisch: Die prominente 5000er Kette mit Djigit, Peak Karakol und Oguz Bashi präsentierte sich in voller Pracht. Wir konnten uns nur schwer überwinden, abzusteigen, jedoch erwartete uns noch ein langer Abstieg, zurück in bekanntes Gefilde, nach Altyn Arashan.

Dort kamen wir müde um etwa sechs Uhr abends an, gönnten uns ein Bad in den heissen Quellen, bevor wir früh schlafen gingen und uns sodann am nächsten Tag zurück nach Karakol begaben.

Erster Zeltplatz beim Sirota Camp.
Erster Zeltplatz beim Sirota Camp.
Zeltplatz am Ala Kul.
Zeltplatz am Ala Kul.
Blick Richtung Pkt. 4358 vom ersten Gipfel (Pkt. 4010).
Blick Richtung Pkt. 4358 vom ersten Gipfel (Pkt. 4010).
Blick vom Gipfel des Pik Takirtor (Pkt. 4345) mit den 5000er Giganten: Djigit, Karakol und Oguz Bashi.
Blick vom Gipfel des Pik Takirtor (Pkt. 4345) mit den 5000er Giganten: Djigit, Karakol und Oguz Bashi.
Abstieg über den Blockgletscher. Im Hintergrund rechts neben dem Schneegipfel ist unser bestiegene Gipfel.
Abstieg über den Blockgletscher. Im Hintergrund rechts neben dem Schneegipfel ist unser bestiegene Gipfel.
Blick in die berühmte und imposante Ak-Suu Wand.
Blick in die berühmte und imposante Ak-Suu Wand.
Wir nähern uns den heissen Quellen: Blick hinunter ins Arashan Tal.
Wir nähern uns den heissen Quellen: Blick hinunter ins Arashan Tal.

Das Wichtigste der ersten Tourenwoche in Kürze

Dauer: 6 Tage

 

Startpunkt: Eingang Karakol Nationalpark, erreichbar in 30min mit Taxi ab Karakol

 

Endpunkt: Aksu

 

Route: Karakol Valley - Sirota Camp - Ala Kul - Takirtor Pass - Intor - Altyn Arashan - Karakol

 

Gipfel:

Pkt. 4010m, Pkt. 4150m, Pkt. 4150m (Wandergipfel um Ala Kul, ca. T4)

Pkt. 4345: WS, sehr schöne Hochtour mit steiler Firnflanke bis zum Nordgrat von da leicht (I-II) über den kurzen felsigen Gipfelgrat zum höchsten Punkt.


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