Die 5000er-Marke geknackt

 

 

Nach einem ruhigen Tag in Karakol, den wir bei Gulnara mit Wäsche machen verbrachten, uns zu Hause meldeten und Proviant für die nächste Tour einkauften, führten uns unsere Pläne ein weiteres Mal mit dem Taxi an den Eingang des Karakol Nationalparks. Der Chauffeur kannte uns bereits und amüsierte sich sichtlich daran, dass wir immer noch in Karakol waren - er würde noch staunen, wie lange wir es hier tatsächlich aushalten ;-).

Wir nahmen den altbekannten Weg hinein ins Karakoltal, bogen nach etwa zwei Stunden allerdings nicht links zum Sirota-Camp hinauf ab, sondern folgten dem Talverlauf weiter. Nach einer weiteren Stunde Marsch teilt sich das Tal ins Ujuntor und Kejltor - durch letzteres kämpften wir uns durch wegloses und buschiges Gelände bis zur Waldgrenze (ca. 2800m), wo wir unser Zelt aufstellten. Wir kochten Hirse auf dem Feuer und ahnten noch nichts davon, dass wir gezuwungenermassen gleich zwei Nächte hier verbringen mussten: Den folgenden Tag verbrachte ich im Zelt, da ich mir wohl eine Mischung aus Sonnenstich und Lebensmittelvergiftung zugezogen hatte. 

Danach fühlte ich mich zum Glück wieder besser, sodass ich mit Simons Hilfe, der diesen Tag doppelt so viel Gewicht wie sonst schleppte, weitergehen konnte. Wir folgten dem Kejltor, bis wir kurz vor dem Djigit Gletscher links in ein Seitental einbogen und von da an steil hinauf bis ca. 3450m Richtung Ukraine Pass wanderten. Hier erreichten wir den mit Sicherheit schönsten Zeltplatz der gesamten Reise: unberührt, an einem kleinen Gletschersee und mit einem wunderschönen Panorama auf den Djigit ("der Mutige").

Kurz vor dem Djigit Gletscher biegen wir nach links in ein Seitental ab. Vor uns türmt sich majestätisch der Gipfel des Djigit.
Kurz vor dem Djigit Gletscher biegen wir nach links in ein Seitental ab. Vor uns türmt sich majestätisch der Gipfel des Djigit.
Unser idyllisches Zeltplätzchen. Den schön geschwungenen Grat im Hintergrund ganz rechts erkletterten wir am vierten Tag.
Unser idyllisches Zeltplätzchen. Den schön geschwungenen Grat im Hintergrund ganz rechts erkletterten wir am vierten Tag.

Da wir uns inzwischen gut akklimatisiert fühlten, wollten wir am nächsten Tag den Gipfel Pkt. 4722 besteigen. Steiles Blockgelände führte uns auf einen steilen und spaltenreichen Gletscher. Diesem Gletscher folgend erreichten wir nach gut zwei Stunden ein Hochplateau - einsam, umgeben nur von Schnee und Eis türmte sich vor uns unser Gipfel auf, den wir Bellavista tauften. Wir erkletterten den Berg über den Westgrat (steiler Firn, ca. WS+). Die Gipfelaussicht bot uns nach Süden ein unendliches Meer an unberührten Gipfeln, nach Osten fiel die steile und imposante Aksuu Gletscherwand ab und gegen Norden blickten wir hinunter nach Altyn Arashan und über die weiten Flächen des Issyk Kul. Wir stiegen den Ostgrat (L) ab und danach denselben Weg wieder hinunter zum Zelt. Was für ein genialer Tag, den wir mit Nudelsuppe, Naan (Brot) und toller Abendsonne ausklingen liessen.

Aussicht gegen Osten vom Pkt. 4722.
Aussicht gegen Osten vom Pkt. 4722.
Der Blick zurück zum heutigen Gipfel. Der linke Grat diente uns als Aufstieg, den rechten nahmen wir als Abstiegsroute.
Der Blick zurück zum heutigen Gipfel. Der linke Grat diente uns als Aufstieg, den rechten nahmen wir als Abstiegsroute.
Abendstimmung bei unserem Zeltplatz, mit Blick auf Albatross und Djigit.
Abendstimmung bei unserem Zeltplatz, mit Blick auf Albatross und Djigit.

Am darauffolgenden Tag bestiegen wir einen weiteren Gipfel (Pkt. 4431) vom selben Zeltplatz aus. Der Aufstieg führte uns zuerst über den brüchigen und nicht sehr lohnenden Westgrat, der danach in einen steilen und schönen Firngrat übergeht. Vom Gipfel, der keinerlei menschliche Spuren aufwies, genossen wir  bei bestem Wetter den herrlichen Ausblick. Den Abstieg wählten wir über den schuttigen und einfachen Südwestgrat.

 

Früh zurück beim Zelt packten wir nach einer kurzen Entspannung unsere sieben Sachen und stiegen ab, da wir unser Nachtlager heute am Fusse des Djigit Gletschers aufstellen wollten. Der Weg dorthin war allerdings beschwerlich: Der Gletscherbach führte inzwischen so viel Schmelzwasser, das wir lange überlegten, ob wir die Überquerung überhaupt wagen sollten. So wateten wir barfuss durchs knietiefe, eisige Nass und waren heilfroh, als wir uns unbeschadet am anderen Ufer wiederfanden.

Gipfelfreuden ;-).
Gipfelfreuden ;-).

Am darauffolgenden Tag wanderten wir über den Djigit Gletscher zum Ujuntor-Pass (ca. 4050m) und hinunter zum Ujuntor-Gletscher. Nun begann ein kopfzerbrechendes Hin- und Her: Sollten wir am nächsten Tag den Aufstieg zum Djigit versuchen? Wir wussten kaum etwas über die Route, geschweige denn über die Verhältnisse: Die Firnflanke (ca. 55°) wirkte blank und da wir aus Gewichtsgründen nur mit je einer Eisschraube und einem Pickel bewaffnet waren, sorgten wir uns über den Abstieg vom Gipfel. Als wir unsere 5000er-Gedanken schon fast begraben hatten, keimte in uns eine kaum nachvollziehbare Neugierde und Abenteuerlust auf, den Berg am nächsten Tag zu besteigen. So schlugen wir unser Zelt inmitten des Gletschers auf etwa viertausend Metern auf - eine kalte, kurze und nervöse Nacht erwartete uns. 

Blick aus dem Zelt auf 4000m. Vor uns türmt sich der höchste Berg der Terskej-Alatau Gebirgskette: Pik Karakol.
Blick aus dem Zelt auf 4000m. Vor uns türmt sich der höchste Berg der Terskej-Alatau Gebirgskette: Pik Karakol.

Wir waren beide froh, als der Wecker um 4 Uhr klingelte. Mit wenig Appetit assen wir ein paar Löffel Haferflocken, zogen uns bei winidgem Wetter warm an und liefen bei stockdunkler Nacht über den Gletscher zum wunderschön geschwungenen Eisgrat, wo uns bereits die ersten 40°-Stellen erwarteten. Danach folgte ein genüsslicher Blockgrat mit kurzen IIer-Stellen. Als langsam die Sonne am gegenüberliegenden Peak Karakol aufging, begann nun der ernsthafte Teil der Tour: Wir pickelten die steile 45 - 55 Grad und etwa 500 Meter hohe Eisflanke hinauf zum Sattel auf etwa 4750 Meter. Nun wurde das Gelände etwas flacher und so erreichten wir um etwa neun Uhr morgens den höchsten Punkt (ca. 5072m laut GPS) - die Aussicht einfach nur "Wow", von Erleichterung jedoch keine Spur. Wir blieben bewusst konzentriert, knipsten einige Fotos und stiegen nach einer kurzen Rast ab. Simon seilte mich meistens an einer Eisschraube ab, er kletterte die steilen Stellen mit unseren zwei Eisgeräten ab. Wir redeten kaum ein Wort, konzentrierten uns darauf, nur keine Schraube fallen zu lassen und die Müdigkeit auszublenden. Nach etwa drei Stunden standen wir wieder auf flachem Boden. Zurück beim Zelt freuten wir uns nun endlich über die wunderschöne, kombinierte Hochtour, assen unsere leckere und wärmende Nudelsuppe und fielen danach in unsere warmen Daunenschlafsäcke.

Morgenstimmung am Pik Karakol.
Morgenstimmung am Pik Karakol.
Auf dem Gipfel mit Blick Richtung Osten.
Auf dem Gipfel mit Blick Richtung Osten.
Oben, aber geschafft ist die Tour noch nicht. Deshalb wohl das gequälte Lächeln ;-).
Oben, aber geschafft ist die Tour noch nicht. Deshalb wohl das gequälte Lächeln ;-).
Die Route im Überblick.
Die Route im Überblick.

An den beiden darauffolgenden Tagen wandern wir über den Ujuntorgletscher durchs gleichnamige Tal und entlang des altbekannten Karakoltals zurück nach Karakol.

Vom Ujuntorgletscher ein letztes Mal der Blick zurück zum Djigit.
Vom Ujuntorgletscher ein letztes Mal der Blick zurück zum Djigit.

 Das Wichtigste der 2. Tourenwoche in Kürze

Dauer: 9 Tage

 

Startpunkt: Eingang Karakol Nationalpark

 

Endpunkt: Eingang Karakol Nationalpark

 

Gipfel:

Pkt. 4722 (WS+), Pkt. 4431 (ZS-/II-III)

Djigit: kombinierte Hochtour (ZS+), anhaltend steiler Firn/Eis bis 50°, Klettern bis III.


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