Spaghetti-Tour: Wieso sich Mainstream eben doch lohnt

Der Blick vom Castor zum Liskamm.
Der Blick vom Castor zum Liskamm.

 

 

Zugegebenermassen dürften wir die Spagetthitour nicht zu einer "Näbs de Spur"-Tour zählen; auf den jeweiligen Gipfeln kann häufig mehr Betrieb herrschen als zu Stosszeiten am Zürcher Hauptbahnhof. Dennoch lohnt sich die Tour allemal: Die eindrückliche Nah- und Fernsicht sowie das Gefühl, sich während drei Hochtourentagen ununterbrochen im wilden Hochgebirge zu befinden, stellt in den Schweizer Alpen eine Seltenheit dar. 

Wir hatten uns für diese Tour ein verlängertes Wochenende im Juli ausgesucht, wobei wir mit dem Wetter eine kleine Lotterie eingingen. Im Wissen jedoch, dass Zermatt das Schönwetterloch der Schweiz schlechthin ist, wagten wir den Versuch guten Mutes. Leider lief bereits der erste Tag nicht ganz nach Plan: Wir wollten die letzte Bahn Richtung "Kleines Matterhorn" nehmen, um dort zu schlafen und am nächsten Morgen früh über den Castor und Liskamm in die Mantovahütte zu gelangen. Allerdings blies der Wind so stark, dass sich die Bahn nicht in Bewegung setzte und wir stattdessen die Nacht in der zwar billigen aber doch etwas gar schäbigen Jugendherberge in Zermatt verbrachten. 

Auf dem Liskamm Ostgipfel angekommen.
Auf dem Liskamm Ostgipfel angekommen.

Am nächsten Morgen quetschten wir uns mit einer Million Sommerskifahrern in die erste Bahn zum Matterhorn Glacier Paradise. Das Wetter war top, wir allerdings spät dran und der rapide Höhengewinn sollte sich noch bemerkbar machen. Wir wollten keine Zeit verlieren und marschierten sodann in zügigem Tempo Richtung Castor, den wir über die NW-Flanke bestiegen.

 

Oben angekommen hatten wir einen wunderbaren Blick auf die noch kommenden Höhenmeter auf und über den Liskamm. Wir tranken einen Schluck Tee und stiegen dann angenehm über den Südostgrat ab, ehe wir den Anstieg über das Felikhorn zum Liskamm Westgipfel angreiften. Der Blick von hier hinüber zum Ostgipfel ist sehr eindrücklich und der Grat doch einschüchternd schmal. Unser Akklimatisationsmanko machte sich inzwischen bemerkbar, vor allem Simon hatte mit Kopfschmerzen zu kämpfen. Deshalb redeten wir nicht viel und liefen konzentriert und zügig über den noch ungespurten Grat, die kurze Kletterstelle passierend, während die letzten Höhenmeter zum Ostgipfel wieder weniger ausgesetzt waren und uns vor allem konditionell forderten. Die Erleichterung war spürbar, als wir sahen, dass im Abstieg bereits eine breite Spur vorhanden war und wir entspannt hinunter zum grossen Gletscherplateau wandern konnten, von wo aus das Gewackel hinunter zur Mantovahütte folgte.

Die Mantovahütte befindet sich auf italienischem Boden auf 3498 m ü. M. Der Charme der Unterkunft kann unmöglich mit einer SAC-Hütte mithalten. Aber wir konnten uns vom heutigen Tage gut erholen, da wir früh zurück waren und uns viel Tee und ein gutes Stück Kuchen gönnten.

Der nächste Tag brachte eine regelrechte Gipfelflut über uns; holten wir bis zur Margheritahütte doch fünf Viertausender ab. Das Wetter spielte wolkentechnisch brav mit, der einzige Wermutstropfen stellte die fürchterliche Kälte und der eisige Wind dar, welcher es uns untersagte, länger als etwa zwei Minuten auf den Gipfeln zu verbringen. Die Tour, welche uns von der Vincentpyramide über das Corno Nero, die Ludwigshöhe und Parrotspitze bis zur Signalkuppe brachte, ist technisch einfach und die Gipfel sind meistens ohne Kletterstellen zu erklimmen. Aber irgendwie macht dies die Tour auch cool; sich so lange auf über 4000 m ü. M. in herrlichem Panorama zu bewegen, dabei jeden Schritt geniessen zu können und die Gedanken auch mal einfach schweifen zu lassen. 

Die letzten Meter hinauf zur Ludwigshöhe.
Die letzten Meter hinauf zur Ludwigshöhe.
Der Blick zurück zum Corno Nero und Vincentpyramide von der Ludwigshöhe.
Der Blick zurück zum Corno Nero und Vincentpyramide von der Ludwigshöhe.

Am frühen Nachmittag trafen wir bei schnell aufkommendem Nebel sodann auf dem Gipfel der Signalkuppe in der Margheritahütte ein, wo wir unsere Nacht verbrachten. Erstaunlicherweise war das Abendessen das wohl beste, welches wir je auf einer Hütte gegessen hatten: Gegrilltes Gemüse als Antipasti, eine Kürbis-Ingwer-Suppe zur Vorspeise, Pasta und Fleisch zur Genüge als Hauptgang, frische Früchte und selbstgemachte Patisseriehäppchen als Dessert. Wir fühlten uns als wären wir in den Bikeferien in der Toskana, aber sicher nicht auf über 4500m.ü.M! Ob solch ein Luxus in dieser Höhe nötig ist, sei dahingestellt. Aber feinem Essen nach kalten Tourentagen können wir eigentlich selten und nur ungerne widerstehen ;-).

 

Die Nacht brachte dann allerdings die befürchteten Symptome von schlechter Akklimatisation: durstige Kehle, Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwächegefühl. Das Aufstehen am nächsten Tag wurde zur Qual und ich sah mich schon kraftlos den Grenzgletschter hinunterwackeln, an eine weitere Tour über die Dufourspitze war vorerst nicht zu denken.

Aber siehe da, frische Höhenluft und ein schöner Sonnenaufgang können Wunder bewirken: Sobald wir uns fünf Minuten von der Hütte entfernt hatten und gerade noch eine Diskussion beginnen wollten, was der heutige Tag uns nun bringen werde, ging es mir wieder blendend und wir erreichten in zügigen Schritten nach knapp einer halben Stunde den ersten Gipfel des Tages - die Zumsteinspitze. Da es die letzten Tage immer wieder geschneit hatte, begruben wir unseren einstigen Plan über den Südwestgrat auf die Dufourspitze aufzusteigen und kletterten stattdessen den wunderbaren Grenzgrat. Der Abstieg in den Grenzsattel ist etwas luftig, danach führt der Grat aber meist in gutem Fels und über IIer-Stellen (kurzen IIIer Stellen) zum Gipfel. Zwar waren die Temperaturen immer noch eisig kalt und unsere Füsse und Hände bereits taub, dennoch lohnt es sich manchmal die Zähne zusammenzubeissen: Die Aussicht auf dem Dach der Schweiz war dank den kürzlichen Schneefällen und der klaren Luft atemberaubend!

 

Nach einer kurzen Gipfelrast sausten wir an den Fixseilen hangelnd hinunter zum Silbersattel, von wo aus wir wiederum bei eisigem Wind zum Nordend hochstiegen. Diesmal hielten wir es knappe 10 Sekunden auf dem Gipfel aus, zu fest zog uns das sonnige Plateau auf dem Monte Rosa Gletscher an, wo wir uns dann endlich eine ausgiebigere Pause gönnten - das formschöne Breithorn und die imposante Liskamm-Nordwand immer im Blick.

Der darauffolgende Abstieg verlief zügig und wir stiegen vom Gornergletscher nochmals zum Rotenboden auf, wo wir uns den Luxus der Gornergratbahn leisteten und pünktlich zusammen mit den Regentropfen auf dem Bahnhof in Zermatt eintrafen.

Der Blick zur Liskamm-Nordwand am Grenzgrat.
Der Blick zur Liskamm-Nordwand am Grenzgrat.
Morgenstimmung auf der Zumsteinspitze.
Morgenstimmung auf der Zumsteinspitze.

Ausblick vom höchsten Punkt der Schweiz: Dufourspitze.
Ausblick vom höchsten Punkt der Schweiz: Dufourspitze.
Kurz vor dem Gipfel des Nordend mit Blick zur Dufourspitze und zum Liskamm.
Kurz vor dem Gipfel des Nordend mit Blick zur Dufourspitze und zum Liskamm.
Die Liskammnordwand immer im Auge; eines unserer angestrebten Projekte ;-).
Die Liskammnordwand immer im Auge; eines unserer angestrebten Projekte ;-).

Zur Tour:

Die Tour über den Castor und die Liskamm-Überschreitung wird mit ZS bewertet. Die Überschreitung ist sehr luftig und ein klarer Kopf (sprich gute Akklimatisation) kann von Vorteil sein.

Die Abholtour des zweiten Tages weist kaum Schwierigkeiten auf, jedoch darf nicht unterschätzt werden, dass man sich während der fast ganzen Tour auf über 4000 m ü. M. befindet.

Der Grenzgrat zur Dufourspitze wird mit ZS bewertet und weist kurze IIIer Stellen auf. Der Abstieg zum Silbersattel ist dank den Fixseilen einfach und zügig zu meistern.


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