Auf den Spuren von Walsern und Frau Porchabella

Tiefblick ins Sertigtal vom Bocktenhorn.
Tiefblick ins Sertigtal vom Bocktenhorn.

 

 

 

Das Sertigtal ist ein sattgrünes Tal, das im 13. Jahrhundert von Walsern besiedelt wurde. Von Davos aus zieht es sich parallel zum Dischma- und Flüelatal Richtung Südosten. Im Postauto fahren wir an diesem klaren Spätsommertag die geteerte Strasse dieses Tal hinauf. Dabei passieren wir den Hof Garschuna, wo sich eine spannende Geschichte verbirgt. 

Denn in diesem Hof lebte die Walserfamilie Ambühl. Sie beherrschte es, aus heimischem Holz Uhren herzustellen. Diese Uhren waren nach dem Ende des Dreissigjährigen Krieges (1609 - 1939) auf einmal sehr gefragt. Denn zu dieser Zeit kehrte im Raum um Davos langsam wieder Wohlstand ein. Während sich einige reiche Bürger Uhren aus Eisen leisten konnten, wünschten sich auch die ärmeren Leute eigene Uhren - aber zu einem erschwinglichen Preis. Dies konnte die Familie Ambühl ihnen mit den heimischen Uhren bieten. Sie stellten das Rädererk aus Birkenholz, das Werkgestell aus Arvenholz und einige Einzelteile aus Lärchenholz her. Über Saumwege fanden die Uhren ihren Weg sogar über den Wolfgang, Flüela-, Scaletta- und Strelapass bis ins Prättigau, Oberengadin sowie ins Schanfigg. Jedoch endete nach dem Bau der Bündner Passstrassen im 19. Jahrhundert die Blütezeit der Ambühler-Uhren, da von nun an industriell hergestellte Uhren Einzug hielten. Die laut Schätzungen zufolge etwa 900 hergestellte Sertiger Uhren sind heute in Privatbesitz oder in Museen ausgestellt.

Nachdem uns das Postauto beim Walserhuus abgeladen hatte, liefen wir mit leichten Rucksäcken tiefer ins Sertigtal hinein. Beim Grüensee verliessen wir den Wanderweg und kämpften uns die steile Wiese ins Bocktentälli hinauf. Von da gelangten wir über Geröllfelder in einen Pass (Pkt. 2848) und kraxelten die letzten 150 Höhenmeter über leichtes Gelände zum Gipfel des Bocktenhorn.

Fische auf dem Berg

Nach einer erholsamen Nacht und einem köstlichen Abendessen im gediegenen Walserhuus, wanderten wir nochmals hinein ins Sertigtal. Diesmal jedoch verliessen wir bereits bei der Alp "Bim Schärä" den Wanderweg. Rechts hinauf über steile Wiesen gelangten wir zur Bergüner Furgga. Danach querten wir in den kleinen Pass zwischen Piz Ducan und Plattenflue. Letztere war unser heutiges Gipfelziel, seinerseits der nordöstlichste Punkt der Ducankette. Hier fanden Geologen Fossilien, die aus der mittleren Trias stammen. Die versteinerten Fische und andere Meerestiere lebten also vor mehr als 200 Millionen Jahre. 

 

Der Grat zur Plattenflue ist mit Bohrhaken entschärft, die Kletterschwierigkeiten reichen bis zum dritten Grat. Auf dem Gipfel angekommen schweifte unser Blick zu den Seen Lai da la Rais-ch Suot und Sur sowie über die Piz Murtelet-Piz Forun-Kette, die wir anschliessend noch überkletterten, bevor wir nach etwa 2000 Höhenmetern und mit schmerzenden Füssen pünktlich zum zNacht in der Keschhütte eintrafen. 

Simon im Aufstieg zur Bergüner Furgga, rechts die Plattenflue.
Simon im Aufstieg zur Bergüner Furgga, rechts die Plattenflue.
Die Seen Ravais-ch Suot und Sur, im Hintergrund der Piz Kesch und im Vordergrund Piz Murtelet und Piz Forun.
Die Seen Ravais-ch Suot und Sur, im Hintergrund der Piz Kesch und im Vordergrund Piz Murtelet und Piz Forun.

Am letzten Tag unseres Kurztrips in den Bündner Alpen planten wir,  den Piz Kesch über die Keschnadel zu erklettern. In der Dunkelheit und bei einem schwach wehenden Wind verliessen wir die Keschhütte. Über einen gut ausgetretenen Pfad gelangten wir über das Gletschervorfeld zum Porchabella Gletscher. Dieser gab Anfang der Neunzigerjahre die bis zum heutigen Zeitpunkt einzige historische Gletscherleiche des Kanton Graubündens frei. Porchabella, so taufte der Archäologische Dienst Graubünden die Gletscherfrau, war wohl zwischen zwanzig und dreissig Jahre alt, als sie auf dem Gletscher den Tod fand. Sie trug Netz und Filzhut, war in einen Wollmantel gehüllt, darunter trug sie eine Bluse und lief in Lederschuhen, die wohl aus Österreich stammten. Was genau die Frau damals auf dem Gletscher suchte, bleibt ungewiss. Gewiss ist jedoch, dass in Zukunft häufiger Gletscherleichen auftauchen werden - dafür sorgt die Klimaerwärmung.

 

Über den Gletscher liefen wir hinauf zum Fuss der Nadel. Hier montierten wir Helm, klickten Friends und Keile an unseren Klettergurt und genossen den kompakten Fels hinauf zur Keschnadel. Während der Weg hinauf zur Nadel schönste Kletterstellen im 4.-5. Grat bot, war die Überschreitung hinüber zum Piz Kesch eher eine Kraxelwanderung mit mässiger Felsqualität. Doch die Aussicht vom Kesch, mit seinen 3417 Metern weiträumig der höchste Gipfel, machte so manchen wackelnden und bröseligen Stein wieder wett. 

Piz Kesch und Porchabella Gletscher von der Keschhütte.
Piz Kesch und Porchabella Gletscher von der Keschhütte.
Simon auf dem Keschgipfel, mit Blick hinüber zur Keschnadel.
Simon auf dem Keschgipfel, mit Blick hinüber zur Keschnadel.


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Kommentare: 1
  • #1

    Udi (Sonntag, 01 Oktober 2017 09:16)

    Sehr spannender Bericht, geschichtlicher Hintergrund, Anektoden kommen dazu und im Text ein Link(Keschnadel), lehrreich, informativ��.